Eine Achterbahnfahrt der Gefühle erlebten wir, das Fanprojekt Preußen Münster e.V., als Veranstalter der Demonstration „Hände weg vom Fußball! Gegen Gästeverbote und Repressionen!“ in Osnabrück. Aber der Reihe nach:
Kurz nach Anmeldung der Demonstration trafen wir in Begleitung unseres Rechtsbeistandes am 10. September 2015 im Rahmen eines sog. Kooperationsgespräches auf die Vertreter der Stadt Osnabrück und der dortigen Polizei. Es wurde deutlich, dass sich unsere Einschätzung der Sicherheitslage und die der Behörden massiv unterscheiden und dass es schwierig werden würde, einen Demonstrationszug durch Osnabrück genehmigt zu bekommen. Die einzige uns angebotene Möglichkeit war eine stationäre Kundgebung vor dem Osnabrücker Hauptbahnhof von 18 bis 19 Uhr. Dies war uns allerdings viel zu wenig!
Nach vielen Gesprächen mit verschiedenen Fangruppen aus Münster, einem regen E-Mail-Austausch mit dem Fanclub-Verband e.V. Osnabrück und einigem bürokratischem Hin und Her reichte unser Rechtsbeistand Einspruch bzw. eine Klage beim Verwaltungsgericht Osnabrück ein. Im Hintergrund wurden fleißig Aufgaben verteilt. Wer bereitet Wortbeiträge vor? Wer liest diese vor? Wer stellt sich als Ordner zur Verfügung? Wer leiht einen Bulli? Wer die Soundanlage? Wer malt Transparente? Die komplette aktive Fanszene arbeitete sehr konstruktiv und schnell zusammen – trotz der Ungewissheit, ob es überhaupt zu einem Demonstrationszug kommen wird.
Optimismus und Pessimismus wechselten sich während dieser Zeit und auch in den folgen den Tagen ständig ab:
Montags 21.09:
Kein Ergebnis seitens des Verwaltungsgerichtes. Wir glaubten nicht mehr an eine Demo. Die Stimmung war im Keller.
Dienstag, 22.09:
Nicht einmal 24 Stunden vor dem eigentlichen Termin kam dann das vorläufige Ergebnis: wir dürfen laufen! Wir konnten es nicht fassen und waren stolz darauf, dass die Fanszene von Preußen Münster wohlmöglich einen juristischen Präzedenzfall für andere deutsche Fanszenen geschaffen hat. Die Vorfreude auf eine laute, bunte und friedliche Demonstration war allen anzumerken. Wir hatten diese Veranstaltung eingeklagt, um stellvertretend für alle Kölner, Gladbacher, Hannoveraner, Braunschweiger und auch Osnabrücker bzw. für alle deutschen Fanszenen auf die Straße zu gehen.
Wir wollten den Behörden und der Politik zeigen, was wir von Gästefanverboten halten: GAR NICHTS!
Mittwoch, 23.09:
Um ca. 13:00 Uhr erfuhren wir, dass die Stadt Osnabrück ihrerseits das Urteil des Verwaltungsgerichts angefochten und eine Klage beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg eingereicht hat. Schock! Was nun? Abwarten. Laut unseres Rechtsbeistandes bestand aber noch kein Grund zur Sorge.
16:03 Uhr: der erste von zwei angekündigten Zügen machte sich mit ungefähr 250 Teilnehmern auf den Weg nach Osnabrück.
16:20 Uhr der Anruf unseres Rechtsbeistandes (schlechte Netzverbindung im Zug, undeutlicher Empfang): das Oberverwaltungsgericht hat der Klage der Stadt Osnabrück stattgegeben. Der Tiefpunkt dieser mehrtägigen Achterbahnfahrt war erreicht! Wir wussten nun, wir dürfen nicht laufen. Die Stimmung war völlig im Keller.
Die Achterbahnfahrt ging weiter. Der Zug rollte in Osnabrück ein. Was nun? Schnelle Rücksprache mit allen Verantwortlichen vom Fanprojekt: Was wollen wir? Was wollen die Demoteilnehmer? Was die Polizei? Kurze Kontaktaufnahme mit der Einsatzleitung der Polizei. Schnelle Entscheidungen mussten her. Bald war klar, dass eine kurze Kundgebung stattfinden muss!
Raus aus dem Karussell der Gefühle und rein in den Alptraum eines jeden Steuerzahlers. Rein in den Polizeikessel: ein Aufgebot wie bei Stuttgart 21 oder der ANTI EZB Demo in Frankfurt. Wofür benötigte man Wasserwerfer? Die Hälfte der Beamten wären schon zu viele gewesen.
Wir warteten noch auf die Preußenfans aus dem zweiten Zug, welcher Münster um 16:34 Uhr verlassen hatte, sowie einige Autobesatzungen und 9er-Bullis.
Ca. 400 Preußenfans beteiligten sich im Endeffekt an der Demonstration „Hände weg vom Fußball! Gegen Gästeverbote und Repressionen!“ Alle Münsteraner verhielten sich sehr korrekt, diszipliniert und standen entspannt in der Abendsonne. Aber verständlicherweise waren alle enttäuscht und fassungslos. Die Stimmung war dementsprechend am Boden. Dazu eine völlig übertriebene Horrorszenerie. Allen Augenzeugen wurde durch diesen Polizeieinsatz bestätigt, wie völlig realitätsfremd Polizeieinsätze bei Fußballspielen und eben Veranstaltungen wie dieser Demonstration sind. Auch einige Polizisten teilten in Gesprächen unsere Auffassung.
Um 17:30 Uhr begannen wir mit der Kundgebung: es folgten drei Redebeiträge und wir entschieden uns, diese traurige Veranstaltung nicht künstlich in die Länge zu ziehen.
Um 18:19 Uhr verschwanden die Münsteraner „Terroristen, Extremisten und Verbrecher“ wieder genauso friedlich aus Osnabrück wie sie gekommen waren. Fußballfans, die einen Querschnitt der Gesellschaft abbilden, sind eben doch keine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit!
Notfalls werden wir im nächsten Jahr wieder kommen, um ggf. nochmals gegen diesen politischen Wahnsinn zu demonstrieren. Außerdem werden wir uns gegen die zunehmende Eventisierung des Fussballs unter einem vorgeschobenen Sicherheitsaspekt wehren! Fußballfans haben in der Vergangenheit eine einzigartige, faszinierende und verbindende Kultur entwickelt, die es zu bewahren gilt. Die zunehmenden Repressionen und Maßnahmen zur Zerstörung dieser Kultur werden wir nicht kampflos hinnehmen. Kein Fan macht den Fußball so kaputt wie ihr es tut!
Wir haben in Osnabrück ein erstes friedliches, demokratisches Zeichen gesetzt und werden auf diesem Weg weiter machen. Dazu laden wir alle Preußenfans ein, sich an unserem Kampf für die Fußballfankultur, für laute und bunte Fankurven und für unsere Grundrechte zu beteiligen. Nur zusammen haben wir eine Chance! Für den Erhalt der Fankultur! Alle!
Bedanken möchten wir uns bei allen Helfern und Unterstützern, die mit geplant und angepackt, sich als Ordner zur Verfügung gestellt oder anderweitig zum Gelingen der Aktion beigetragen haben! Aber natürlich auch bei allen, die vor Ort waren: D A N K E !!!
Wir werden weiter machen,
euer Fanprojekt Preußen Münster e.V.
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