Geisterspiele

Hallo Preussenfans,

seit dem außerordentlichen DFB-Bundestag am Montag ist klar: Die dritte Liga wird definitiv am kommenden Wochenende wieder den Spielbetrieb aufnehmen. Dies beschlossen die Delegierten mit einer deutlichen Mehrheit von 94,87 Prozent. Eine vorherige Abstimmung unter den 20 Vereinen in der dritten Liga brachte eine sehr knappe Mehrheit pro Wiederaufnahme des Spielbetriebs. Doch der DFB, der mit allen Mitteln versucht, die Saison noch zu Ende zu bringen, gab und gibt in der aktuellen Situation kein gutes Bild ab.

Der DFB und fortsetzungsgewillte Vereine berufen sich gerne auf eine sportliche Vergleichbarkeit, die geschaffen werden oder gewährt werden soll. Allerdings wird dabei vollkommen vernachlässigt, dass diese schon längst nicht mehr gegeben ist. Viel zu groß sind die dem deutschen Föderalismus geschuldeten Trainingsrückstände: In manchen Städten wird seit einem Monat schon im Mannschaftsverbund trainiert, andernorts ist es erst seit einigen Tagen in Kleingruppen genehmigt. Die in der Vergangenheit versprochenen mindestens zwei Wochen Mannschaftstraining für jeden Verein vor dem Restart wurden über Bord geworfen – wie eigentlich alles momentan dem Ziel, die Saison in der dritten Liga irgendwie noch zu Ende zu bringen, untergeordnet wird. Denn auch die Regel, dass zwischen zwei Spielen einer Mannschaft mindestens 72 Stunden Pause liegen müssen, wurde auf dem DFB-Bundestag mit einer unfassbaren Mehrheit von 96 Prozent der Delegierten bis zum Juni 2021 ausgesetzt.

Die dritte Liga war auf diesem DFB-Bundestag übrigens nur durch DFB-Vertreter repräsentiert (Präsidium, Vorstand, Ehrenmitglieder, Mitglieder der Rechtsorgane, des Prüfungsausschusses, der Ethik-Kommission und weiterer Ausschüsse). Zudem durften Vertreter der fünf Regional- und 21 Landesverbände sowie der DFL mit abstimmen.

Was uns fassungslos macht, ist die Rücksichtslosigkeit, mit der der DFB mit aller Macht versucht, etwas zu retten, was in der aktuellen Situation einfach nicht zu retten ist:

Der Wettbewerb ist nicht fair, sondern unfair, da die Mannschaften unterschiedlich lange unterschiedlich gut trainieren konnten.

Die Bedingungen für die Spieler sind nicht gesund, sondern ungesund, da fünf englische Wochen am Stück ohne richtige Vorbereitung ganz sicher nicht spurlos an allen Spielern vorbeigehen werden. Und da reden wir noch gar nicht davon, dass die Möglichkeit genutzt wird, die 72-Stunden-Regel zu brechen.

Die finanzielle Situation der (meisten) Vereine bzw. Betreibergesellschaften/Spielbetriebsgesellschaften dürfte nicht besser, sondern schlechter werden, da die Spieler sowie die Angestellten wieder voll bezahlt werden müssen und ein Hygiene-Konzept umgesetzt werden muss, welches auf die ersten beiden Ligen ausgelegt ist. Dort funktioniert es, da es die Etats dank der Fernsehgelder aus den Geisterspiele deutlich weniger belastet. In der dritten Liga hingegen stellt dessen Finanzierung für viele aufgrund fehlender Einnahmen ein großes Problem dar und am Ende helfen die Geisterspiele ganz genau nur  zwei oder drei Vereinen: Nämlich den Aufsteigern, die dann in der nächsten Saison an die Geldtöpfe aus der TV-Vermarktung der DFL gelangen. Wir wünschen allen Teams, die aus diesem (egoistischen) Grund eine Fortführung des Spielbetriebs befürworten viel Glück, bei dieser Lotterie am Ende zu den Gewinnern zu gehören.

In der aktuellen Krise sind besonders die Fans der Vereine ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht geworden, in dem sie durch Spendenaktionen in ihrer jeweiligen Region geholfen haben. Dem DFB kann man leider nicht attestieren, in dieser Krise feinfühlig und verantwortungsbewusst vorgegangen zu sein. Ganz im Gegenteil: Der Verband trat uneinsichtig auf, ließ die Vereine bei wichtigen Themen im Stich und präsentierte sich einmal mehr als Institution, welche ihre eigene Linie um jeden Preis durchziehen will.

Der Profifußball insgesamt muss sich nachhaltiger aufstellen. Gelder müssen gerechter verteilt werden. Eine deutlich größere Umverteilung von ganz oben über die dritte Liga bis tief in die Amateur-Spielklassen hinein wäre eine erste Maßnahme, denn ohne seine Wurzeln kann auch der mächtigste Baum nicht bestehen. Wir hoffen, dass sich DFB und DFL nach der Krise ernsthafte Gedanken machen, was sich im Profifußball ändern muss. Vorschläge der Fanszenen und Fanorganisationen gibt es genügend, zum Beispiel von der Interessengemeinschaft „Unsere Kurve“, in der auch wir als Fanprojekt Mitglied sind:

https://www.unserekurve.de/blog/wir-wollen-die-krankheit-bekaempfen-nicht-die-symptome-fuer-einen-gesunden-fussball/

Ideen gibt es außerdem auch zu der Frage, wie mit dieser und der nächsten Saison verfahren werden sollte. Hier äußerten sich bereits einige Vereine aus der dritten Liga einzeln oder gemeinsam zu Wort. Doch der DFB hat mit seinem gesamten Auftreten gezeigt, dass er sich für Alternativen eigentlich nicht wirklich interessiert.

Kritisieren müssen wir auch, dass das „Radio Mottekstrehle“, nicht live aus dem Stadion übertragen darf. Genehmigt ist lediglich eine Übertragung von vor dem Fernseher aus. Es wäre ein kleines, positives Zeichen gewesen, wenn bei der beschränkten Anzahl an Personen, die momentan im Stadion sein dürfen, die Fanradios berücksichtigt worden wären – handelt es sich dabei doch lediglich um zwei Personen pro Team.

Vor der langen Pause ging ein unglaublicher Ruck durch unsere Fanszene. An der Hammer Straße herrschte ein Zusammenhalt zwischen Mannschaft und Fans, wie man ihn hier selten erlebt hat. Auch das sportlich in der Rückrunde deutlich verbesserte Team mit unserem neuen Trainer Sascha Hildmann entfachte eine Euphorie, mit der wir sicher waren, die Klasse noch zu halten. Nicht umsonst wären im April und Mai jeweils Sonderzüge zu den Auswärtsspielen gerollt. Nun haben wir eine völlig neue Situation, wir Fans haben keinerlei Einfluss mehr auf den Ausgang der Spiele. Es liegt jetzt an der Mannschaft, in den letzten Spielen alles rauszuholen, um den Klassenerhalt noch zu schaffen.

Wichtig für uns Fans ist, während der Spiele nicht im Umfeld des Stadions aufzutauchen, um auch weiter unsere gesellschaftliche Verantwortung wahren und zum Selbstschutz und zum Schutz anderer Menschenansammlungen zu vermeiden. Auch sollte es durch uns keinerlei Aufwertung der Geisterspiele geben. Denn Fußball ohne Fans ist nichts. Hängt also bitte auch keine Zaunfahnen oder ähnliches im Stadion auf und lasst euch nicht als Pappaufsteller instrumentalisieren. Lasst die Geisterspiele für den DFB zu dem werden, was sie sind: Unattraktive Spiele, ein Absurdum in einer völlig verrückten Zeit!

Bleibt alle gesund und passt aufeinander auf. Das nächste Spiel im Stadion kommt bestimmt!